Detlef Fechtner: Tod im Bankenviertel

22.02.2021 / Förderverein Literaturhaus Wiesbaden


Detlef Fechtners Börsen-Krimi beginnt standesgemäß mit einer Leiche: „Konstantin Winter, 29 Jahre jung, Terminhändler bei der DLZ-Bank. Keine Vorstrafen, keine auffälligen Kontobewegungen, keine ungewöhnlichen Lebensumstände.“ So wird der Leiter der eilig eingesetzten Sonderkommission den Toten später charakterisieren. Der junge Mann landet nach einem Sturz vom Dachgeschoss der 47. Etage auf dem harten Pflaster vor der Frankfurter Hypo-Union-Zentrale. Was auf den ersten Blick nach Suizid aussieht, entpuppt sich als Mordfall und alarmiert nicht nur die Polizei, sondern auch die Presse. Grund genug für den Frankfurter Polizeipräsidenten Christian Herzog, sich zum vertraulichen Gespräch mit dem Chefredakteur des Finanzblatts (im echten Leben: Börsen-Zeitung) Carl Stolberg zu verabreden. Und wo trifft man sich, wenn man in Frankfurt vertraulich reden will? Natürlich in einer Sachsenhäuser Kneipe. Eben dorthin nimmt uns der Sprecher Moritz Pliquet* in einer ersten Kostprobe aus dem Roman mit.


Oskar Willemer, an dessen Vermutungen zum Mordfall Konstantin Winter sich Carl Stolberg nach seiner Unterredung mit dem Polizeipräsidenten erinnert, ist die eigentliche Ermittlerfigur des Romans. Der 32-jährige Jungredakteur des Finanzblatts fährt Vespa und spielt Rugby im Team von Eintracht Frankfurt, das an den Wochenenden seine Zweitliga-Spiele im Waldstadion bestreitet, wo bekanntlich auch die große Fußball-Eintracht gerade Richtung Champions League marschiert. Oskar bittet seinen Chef um eine Woche Sonderurlaub und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Zu Hilfe kommt ihm ausgerechnet die Tochter des Chefs: Franziska Böhning ist Professorin am Institut für Banken- & Börsenwesen und hegt an Oskar mehr als bloß fachliches Interesse. Gemeinsam kommen die beiden einer großangelegten Verschwörung auf die Spur, die darauf abzielt, mit manipulierten Nachrichten einen neuzeitlichen „Schwarzen Freitag“ zu inszenieren, einen Börsen-Crash, aus dem die Verschwörer selbst als großer Profiteuer hervorgehen wollen. Die Fäden laufen bei der Momentum Finanzberatung in Sachsenhausen zusammen. Wie auf dem Rugbyfeld entscheidet sich Oskar in der Konfrontation mit dem Gegner für einen Alleingang. Noch einmal nimmt uns Moritz Pliquet mit nach Sachsenhausen.


Wer so gar keine Ahnung hat, was es mit Blue Chips, Credit Default Swaps und Put-Turbozertifikaten auf sich hat, der kann sich mit „Tod im Bankenviertel“ ein kleines bisschen schlauer machen. Die ganze Absurdität der Börsenwelt spiegelt sich in dem Erklärungsversuch des Finanzjournalisten Carl Stolberg im Gespräch mit dem Polizeipräsidenten Christian Herzog: „Sie müssen sich das so vorstellen: Terminbörsen sind Märkte, an denen Sie verkaufen, was Sie nicht besitzen, um zu kaufen, was Sie nicht haben wollen.“ Und wenn an anderer Stelle der fiktive Bundesbankchef Franz Berenbrink beteuert: „Unser wichtigstes Aktivum ist unsere Glaubwürdigkeit“, dann klingt das nach nur noch wie das einsame Rufen im Walde. Ahnen wir doch spätestens seit New Economy und Bankenkrise, dass etwas faul ist hinter den glitzernden Fenstern der Hochhäuser im Frankfurter Bankenviertel.

Alexander Pfeiffer **


Detlef Fechtner: Tod im Bankenviertel. Börsen-Krimi. Societäts-Verlag, Frankfurt 2020 (250 Seiten, 15 Euro)


Zum Autor:
Dr. Detlef Fechtner wurde in Bad Homburg geboren. Nach dem Studium (Politikwissenschaften, Wirtschaft, Geschichte und Europa-Studien) arbeitete er als Finanz-Reporter für die Nachrichtenagentur vwd, schrieb für die Frankfurter Rundschau sowie für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Elf Jahre lang war er EU-Korrespondent der Börsen-Zeitung in Brüssel. Seit 2016 ist er Stellvertretender Chefredakteur des Wirtschaftsblattes und lebt mit seiner Familie wieder in Frankfurt am Main. „Tod im Bankenviertel“ ist sein erster Kriminalroman.

*Moritz Pliquet, geboren 1986 in Dortmund. Nach einem Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main folgten Engagements in Wiesbaden, Mainz, Frankfurt und Göttingen. Seit 2008 ist er als Sprecher in vielen Hörbüchern und regelmäßig bei Arte und im ZDF zu hören. Er ist außerdem Dozent für Mikrofonsprechen an der HfMDK und beim Hessischen Rundfunk.

 **Alexander Pfeiffer wurde 1971 in Wiesbaden geboren, wo er bis heute lebt. Er ist Schriftsteller, Literaturveranstalter, Moderator und Leiter von Schreibwerkstätten. Neben zwei Bänden mit Kurzgeschichten und vier Gedichtbänden veröffentlichte er bislang vier Kriminalromane und gab die Anthologiereihe „KrimiKommunale“ heraus. Zuletzt erschien sein Roman „Geisterchoral“ sowie der Gedichtband „Leuchtfeuer“.


Die Lesung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Societäts-Verlags. Ihm und dem HMWK danken wir für die Unterstützung dieses Projekts.
Gefördert aus Mitteln des HMWK „Hessen kulturell neu eröffnen“, Projekt „Literaturdigialog Hessen“