Die Zukunft sieht gut aus / Der erste Stern

14.05.2020 / Förderverein Literaturhaus Wiesbaden, Literaturhaus Villa Clementine


Vielen von Ihnen wird Zoë Beck noch als Wiesbadener Krimi-Stipendiatin 2019 in Erinnerung sein. Die umtriebige Autorin und Übersetzerin leitet zusammen mit Jan Karsten den CulturBooks Verlag, der hauptsächlich zeitgenössische, internationale Prosa anbietet. Literatur, die es in sich hat – dafür  wurde der Verlag mit dem erstmals in 2019 vergebenen Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet.

Aus dem Printprogramm des Verlages – es gibt zusätzliche eine umfangreiche Digitaledition – stellen wir Ihnen hier zwei Geschichtenbände von Autorinnen vor, die aufhorchen lassen.


Lesley Nneka Arimah, Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt, Hamburg 2019, 197 Seiten, 20 Euro

1983 als Kind nigerianischer Eltern in London geboren, wuchs die Autorin in Nigeria auf, studierte in den USA und lebt dort auch heute. Die vorliegende Storysammlung wurde für Lesley Nneka Arimah zum gefeierten Debut in den amerikanischen Feuilletons. Aus weiblicher Sicht erzählt, wohnt allen Geschichten ein erfrischender Widerspruchsgeist inne, so unterschiedlich sie auch sind. Da gibt es solche, die kafkaesk erscheinen, da ihnen fantastische Rituale und Mythen Nigerias zugrunde liegen. Es gibt andere, die offenbaren Abgründe und Wahrheiten, indem sie scheinbar unspektakulär daherkommen, deren plötzliche Wendung jedoch niemanden verschont.

Es liest die Schauspielerin Alexandra Finder*: Die Zukunft sieht gut aus (11 Min.)

Zur Erläuterung: Von 1967 bis 1970 tobte in Nigeria der Biafra-Krieg, nachdem die Region Biafra ihre Unabhängigkeit gegenüber Nigeria ausgerufen hatte.


Pippa Goldschmidt, Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen, Hamburg 2018, 223 Seiten, 20 Euro

Die in London aufgewachsene promovierte Astrophysikerin absolvierte in Glasgow ein Masterstudium in Creative Writing. Diese Verbindung von Naturwissenschaft und Schreiben zeichnet auch die 20 Geschichten in der Sammlung aus. Pippa Goldschmidt fasst das Universum neu und erzählt von Albert Einstein und seinen Erlebnissen im Fahrstuhl, von Asteroiden, die vielleicht auf die Welt zufliegen, von seltsamen Zellkulturen im Labor, von Alan Turing und J. Robert Oppenheimer. So unaufgeregt und brillant die Autorin dies präsentiert, ist auch sie eine Meisterin des unerwarteten Twists.

Hören Sie Alexandra Finder* mit: Der erste Stern (33 Min.)


Interview mit Pippa Goldschmidt

Frau Goldschmidt, die Geschichte „Der erste Stern“ hat einen realen Bezug zu der Sternwarte in Edinburgh. Können Sie das ein wenig erläutern?

Ich war Studentin an der Sternwarte (die ‚Royal Observatory Edinburgh‘ heißt), als ich die Geschichte dieses Ortes entdeckte. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert gab es einen großen Kampf um das Frauenwahlrecht, und im Mai 1913 zündeten Suffragetten am ‚Royal Observatory Edinburgh‘ eine Bombe. Diese Bombe beschädigte den West Tower der Sternwarte, und die Täterinnen wurden niemals gefasst. Das genaue Motiv für diesen Anschlag ist noch unklar. Aber vielleicht kann es damit zu tun haben, dass Frauen nicht als ,Astrophyskerin‘ beschäftig werden konnten, nur als schlechter bezahlte ,Computerin‘ (Rechnerin).

Sie leben seit zwei Monaten in Frankfurt. Was hat Sie veranlasst, von Edinburgh nach Hessen zu kommen?

Ich bin Engländerin, aber ich habe auch deutsche Staatsangehörigkeit, wegen meines Großvaters, der aus Offenbach stammte. 1936 musste er aus Deutschland fliehen, weil er Jude war. Zweimal war ich Stipendiatin (writer in residence) hier in Deutschland, und ich habe es sehr gern. Also, nach dem Brexit (!) entschied ich mit meinem Mann, dass wir für ein paar Jahre hier wohnen wollen. Frankfurt war die erste Wahl, wegen der Verbindung mit meinen Großvater, und jetzt will ich von ihm schreiben.

Können Sie ein wenig mehr von Ihrem literarischen Projekt verraten?

Ich schreibe einen langen Aufsatz über das Leben meines Großvaters. Er hatte ein außergewöhnlicher Leben; er kämpfte in der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg und in der britischen Armee im Zweiten Weltkrieg, aber ich weiß sehr wenig über ihn.
Ich kontrastiere dies mit meiner Erfahrung bei der Erforschung des fernen Universums. Mich interessiert, wie wir mehr über Objekte wissen können, die vor Milliarden von Jahren existierten, als über unsere eigenen Familien.

Hatten Sie überhaupt schon die Möglichkeit, ein wenig von Frankfurt zu sehen? Mit der Corona-Pandemie wurde alles geschlossen …

Nur ein wenig! Jeden Tag spaziere ich in Bockenheim, wo wir wohnen, also kenne ich dieses Bezirk ziemlich gut! Ich hoffe, dass ich etwas mehr erforschen kann, jetzt, wo die Beschränkungen gelockert werden.


*Alexandra Finder arbeitet seit 2008 als freischaffende Schauspielerin an Theatern und für Filmproduktionen. Davor war sie festes Ensemblemitglied des Staatstheaters Wiesbaden unter der Intendanz von Manfred Beilharz. Als Gast spielte sie unter anderem am Deutschen Theater in Berlin und dem Schauspiel Frankfurt. Dabei verbindet sie eine enge Zusammenarbeit mit dem Theaterregisseur Jürgen Kruse. Für ihre Hauptrolle in dem Kinofilm „Die Frau des Polizisten“, der seine Weltpremiere 2013 auf den Internationalen Filmfestspielen in Venedig hatte, erhielt sie mehrere Preise.


Texte: Rita Thies

Diese digitale Lesung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Wiesbadener Literaturhauses und des Fördervereins. Wir danken dem CulturBooks Verlag für seine Unterstützung. Das Verlagsprogramm finden Sie unter www.culturbooks.de.