Gisella Perl: Ich war eine Ärztin in Auschwitz

10.01.2021 / Förderverein Literaturhaus Wiesbaden


Am 27. Januar 2021 jährt sich zum 76. Mal der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch sowjetische Soldaten. Zwischen 1940 und 1945 ermordeten die Schergen des nationalsozialistischen Deutschlands hier mehr als eine Millionen Menschen. Eine der wenigen, die das Lager überlebt haben, ist die jüdische Gynäkologin Gisella Perl (1907-1988). Sie schreibt ihre Erinnerungen an das unvorstellbare Grauen kurze Zeit nach der Lagerhaft auf.

Als die Deutschen im März 1944 Ungarn besetzen, wird die jüdische Bevölkerung umgehend deportiert. Dies geschieht auch Perl und ihrer Familie aus der rumänischen Stadt Sighet (die seit 1940 von den Ungarn besetzt ist). Sie werden ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht. Dort wird Perl als Lagerärztin eingesetzt, unter Bedingungen, die die Ärztin immer wieder zwingen, moralische Grenzen zu übertreten.

Doch hören Sie zuerst ein paar Erinnerungen von ihr, bevor sie nach Auschwitz kommt. So trifft sie z.B. den Pharmazeuten Dr. Victor Capesius – erst als Handelsvertreter der I.G. Farben in Rumänien, später dann in Auschwitz.

Petra Fontheim/Bischoff* liest:


Als Lagerärztin macht Perl, wie alle anderen auch, die Erfahrung unfassbarer menschlicher Entwürdigung. Sie setzt sich zum Ziel, möglichst vielen Frauen (vielleicht) das Leben zu retten. Das funktioniert in dem bestialischen System nur, wenn diese nicht schwanger und als Arbeitskräfte einsetzbar sind. So nimmt sie unter undenkbaren Bedingungen Schwangerschaftsabbrüche an Hunderten von Frauen vor. Hören Sie aus ihren Erinnerungen „Entbindung in Lager C“:


Möglicherweise haben Sie beim Zuhören den Podcast zwischendurch anhalten müssen, auch ich musste das Buch zwischendurch immer wieder zur Seite legen um durchzuatmen. Trotzdem oder gerade deshalb: Wir sind es den vielen Ermordeten in Auschwitz schuldig, die Berichte der Augenzeugen nicht zu vergessen, die Erinnerung daran wach zu halten, wozu die Bestie Mensch fähig ist. Damit wir alle alles dafür tun, dass sich das nie wiederholt.

Rita Thies


Gisella Perl, Ich war eine Ärztin in Auschwitz, marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2020 (215 Seiten, 20 Euro)

* Petra Fontheim/Bischoff, in Kassel geboren, studierte Theaterwissenschaft, Politologie und Publizistik an der FU Berlin. Danach schloss sie ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover ab. Es folgten Festengagements als Schauspielerin am Oldenburgischen Staatstheater, den Wuppertaler Bühnen, dem Niedersächsischen Staatsschauspiel Hannover und dem Bayerischen Staatsschauspiel München. Anschließend arbeitete sie als freischaffende Schauspielerin mit Gastengagements an diversen Theatern und spielte in verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen. Zusätzlich ist sie seit mehreren Jahren an der Schauspielschule in Wiesbaden als Dozentin tätig. Petra Fontheim/Bischoff ist mit dem Regisseur und ehemaligen Mainzer Intendanten Matthias Fontheim verheiratet, sie haben zwei Kinder. Die Familie lebt in Wiesbaden.

Wir danken dem Wiesbadener marixverlag/Verlagshaus Römerweg und dem Kulturamt der Stadt Wiesbaden für die Unterstützung dieses Projekts.