Voci di Sicilia

17.02.2021 / Förderverein Literaturhaus Wiesbaden


Heimaterinnerungen einer Weitgereisten und Reisebuch für Fortgeschrittene: Die sizilianische Liedermacherin Etta Scollo, die als Künstlerin in Berlin lebt, gibt ein vielstimmiges Buch heraus. Es hat naturgemäß zahlreiche Autoren: Schriftstellerinnen und Polizeikommissare kommen zu Wort, eine Historikerin und Theatermacher, aber auch Staatsanwälte oder der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, der seine Stadt von einer der Hochburgen der Mafia zur sichersten Kommune in Italien machte. Sie alle zeichnen in dem Band „Voci di Sicilia“ ein manchmal poetisches und oft genug ungeschöntes Bild der größten Insel im Mittelmeer – klug und ausdrucksstark bebildert von dem Fotografen Anton Maria Storch. Er dokumentiert Natur, die sich in ihrer ganzen Schönheit zeigt, oft urzeitlich und archaisch.  Er zeigt uns aber daneben Städte und Menschen.

Das Buch „Voci di Sicilia“ konfrontiert seine Leserinnen und Leser aber auch mit dem menschengemachten Durcheinander auf der Insel, mit unerträglicher Verwahrlosung in den Kommunen und kontaminierten Landschaften. Gleichsam zur Erholung eingestreut: Poesie. Gedichte, die im Singsang des sizilianischen Dialekts mitgeliefert werden.

Etta Scollo schreibt: „Breitgefächert sind die Zeugnisse und Stimmen in diesem Buch – ein ‚kaleidoskopisches‘ Sizilien. Die Orte, die ich in meinem Leben passiert habe, die Klänge des Gesprochenen haben in mir Musik erzeugt, als eine Form der ‚Sprache in der Sprache‘. Ich habe meine Ortswechsel immer als glückliche Gelegenheiten empfunden, die mir das Leben bot.“

Etta Scollo, die Frau mit dem sizilianischen Herzen, gelingt eine bemerkenswerte künstlerischer Rückkehr nach Sizilien. Ihr ist ein Buch zu verdanken, das sich nicht nur der Literatur und der Musik annimmt, sondern auch gesellschaftlicher Themen und politischer Fragen und das versucht, die vielfältigen kulturellen Einflüsse, die Sizilien zu einem eigenen Kontinent gemacht haben, miteinander zu verbinden.

Hören Sie in das Auftaktkapitel hinein, das die Sängerin und Komponistin geschrieben hat. Die Überschrift lautet: „Catania ist ein Geruch“.


Die als Schriftstellerin in Italien sehr bekannte und geschätzte Autorin Dacia Maraini, wurde 1936 in Fiesole bei Florenz geboren. Sie beschreibt in einem autobiografischen Roman die Kleinstadt Bagheria in der Provinz Palermo. Dort lebte die Familie Maraini, nachdem sie 1946 von einem Japan-Aufenthalt nach Italien zurückkehrte, in der Villa Valguarnera. Dacia lernte hier ihre Großeltern mütterlicherseits kennen, die zum verarmten sizilianischen Adel zählten. Die mittlerweile 13-Jährige wurde mit den traditionellen Verhaltensweisen Süditaliens konfrontiert und reagierte darauf zunächst verstört. In dieser Zeit fing sie an, ihre sizilianischen Eindrücke auf Papier zu bringen.


Hören Sie nun das Kapitel „Bagheria“ aus dem gleichnamigen autobiografischen Roman, in dem Dacia Mariani von der Kindheit in Sizilien berichtet:


Den roten Faden das Buches bilden die Lieder von Etta Scollo, von denen einige auf einer beigelegten CD mitgeliefert werden. Die Lieder sind Kompositionen traditioneller sizilianischer Musik, oft Vertonungen der Texte sizilianischer Dichter. Hören Sie zum Schluss „Rosa canta e cunta“ („Rosa singt und erzählt“), ein Lied der berühmten Volkssängerin Rosa Balistreri, der sogenannten „Stimme Siziliens“ – hier eindrucksvoll interpretiert von Etta Scollo.


Text: Ingeborg Toth

„Voci di Sicilia“ von Etta Scollo, aus dem Italienischen von Klaudia Ruschkowski, erzählt von der jahrtausendealten Geschichte Siziliens und ihrer Gegenwart, die neben alter Schönheit auch neue Hoffnung vermittelt.

Erschienen bei Corso (Verlagshaus Römerweg), Wiesbaden 2020, ISBN 9783737407595, gebunden, 256 Seiten mit eingelegter CD, 39,90 Euro


Zu Etta Scollo:
Die Sängerin wurde 1958 in Catania geboren. Nach einem Studium der Kunst und Architektur in Turin und einer Ausbildung in Gesang und Tanz am Konservatorium Wien, wurde sie 1988 mit zwei Goldenen Schallplatten ausgezeichnet. In einer Periode, die sie als künstlerische Selbstfindung erlebte, arbeitete Etta Scollo auch für das Theater und die Oper. In der musikalischen Aufführung von Johann Wolfgang Goethes „Faust II“ im Jahr 2009 (Musik von Karsten Gundermann) spielte sie die Rolle der Helena. Im Jahr darauf sang sie am Teatro Massimo in Palermo die Alice in der Oper „Alice im Wunderland“. 2010 bearbeitete sie die Musik von Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“ für eine zeitgenössische Inszenierung an der Neuköllner Oper in Berlin.
Etta Scollo ist es ein Anliegen geworden, Musik mit Literatur und Dichtung zu verbinden, sei es auf Alben oder auf der Bühne. Seit 2014 präsentiert sie in ihrem Programm „Parlami d’amore“ gemeinsam mit Joachim Król  italienische Liebeslieder und -geschichten.


Zu Jutta Eckes, die die Texte aus dem Buch „Voci di Sicilia“ liest:
Sie ist Literaturwissenschaftlerin und Italianistin, Dolmetscherin, Übersetzerin und Lehrbuchautorin. Die Wiesbadenerin unterrichtet Gesangsstudierende und Korrepetierende an Musikhochschulen und Konservatorien in Köln, Mainz, Frankfurt und Darmstadt.
Seit zwanzig Jahren arbeitet Jutta Eckes als Italienisch-Sprachcoach auf internationaler Ebene mit namhaften Regisseuren und Dirigenten sowie Sängerinnen und Sängern an Opernhäusern und bei Festspielen. Publikationen bei Rowohlt, Hueber und Bärenreiter.


Die Lesung und die Musikeinspielung erfolgen mit freundlicher Genehmigung des Corso Verlags (Verlagshaus Römerweg GmbH). Ihm und dem HMWK danken wir für die Unterstützung dieses Projekts.
 
Gefördert aus Mitteln des HMWK „Hessen kulturell neu eröffnen“, Projekt „Literaturdigialog Hessen“