„Es wäre doch schön …“ – davon erzählen Saša Stanišićs Geschichten

16.02.2020 / Viola Bolduan


„Ich gehe joggen, aus der Altstadt hinaus ins Freie und nehme wahr“, wenn er sich in einer fremden Stadt aufhält. Nach vier erfolgreichen Büchern und einem Deutschen Buchpreis ist Saša Stanišić ein begehrter Gastautor. Im Hotel der fremden Stadt nimmt er wahr „Männer beim Frühstück“ und abends bei seinen Lesungen „Frauen über 50“. Im großen Hörsaalpavillon der Wiesbadener Hochschule RheinMain am Kurt-Schumacher-Ring sitzen auch sie, freilich durchmischt mit vielen Studierenden. Die müssen zum großen Teil freilich stehen. Denn der Ansturm auf den neuen Poetikdozenten ist riesengroß. Professor Michael May (Fachbereich Sozialwesen) stellt den bald 42-jährigen Autor vor – so kenntnisreich wie direkt: „Wie geht es dem Vorzeige-Geflüchteten?“ Saša Stanišić kennt das, seitdem er als gebürtiger Bosniake mit 14 Jahren nach Deutschland kam, hier die Sprache lernte, studierte und von 2006 an bis zum Deutschen Buchpreis 2019 erfolgreich Bücher schreibt. „Die 25.000 Euro (Preisgeld) gaben ein gutes Gefühl.“ Der schlaksige noch junge Mann ist um keine Antwort verlegen, Saša Stanišić spricht schnell, seine Stimme ist hell und der ganze Mann fängt sich in seiner Lebhaftigkeit sofort alle Sympathien ein. Er weiß, dass sein Schriftdeutsch mittlerweile exzellent ist und doch um seine Andersartigkeit. „Mit dem Namen fängt es an.“ Und rezitiert als Beispiel ein frühes Gedicht („noch nie vorgelesen: ,Und wenn weine ich, dann ich weine, weil weiß ich, dass fallen meinen Träne in die Schnee von fremder Land‘“.) Er schwärmt von dieser deutschen Sprache, vor der er „keinen und doch sehr viel Respekt“ habe, weil sie biegsam sei – für ihn in den Werken auch spielerisch schmiegsam.

Michael May geht mit dem Autor den Stapel seiner Romane und Erzählungen durch: „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ (2006) schließt das Thema Kriegserfahrung ab, „Vor dem Fest“ (2010) erfindet Geschichten von Dorfbewohnern in der Uckermark, in „Herkunft“ schließlich erzählt Stanišić die eigene Geschichte. Über Zäune lässt er hier „freundliche Grüße“ schicken, zugewandt und witzig. Geschichten wachsen aus Brüchen, und Humor ist ein geschmeidiges Transportmittel. Erfahrung, Erfindung, Recherche bilden den Stoff, wobei er Recherche zur „Lieblingsbeschäftigung“ erklärt. Saša Stanišić sammelt gerade wieder – „ich schreibe Miniaturen als Reisender auf“, so auch jetzt in Wiesbaden. Ob er hier auch etwas literarisch festhalten kann? „Es wäre doch schön …“ – davon erzählen seine Geschichten.