„Global gescheitert?“

15.02.2023 / Förderverein Literaturhaus Wiesbaden, Viola Bolduan


Susanne Schröters provokante Frage ihres Buchs „Global gescheitert?“ mit Untertitel „Der Westen zwischen Anmaßung und Selbsthass“ eröffnete den Neubeginn der Veranstaltungsreihe „Gespräche in der Villa“, moderiert von Presseclub-Vorsitzendem und früherem Kurier-Chefredakteur Stefan Schröder. Vor Putins Angriff auf die Ukraine und nach dem Rückzug des Westens aus Afghanistan geschrieben, kann die Wiesbadener Ethnologin und Professorin an der Universität Frankfurt zwischen beidem durchaus eine Parallele ziehen: „Man besetzt kein kleines Land“, zumal, wenn, wie im Falle Afghanistans, der Westen seine Vorstellung von Rechtlich- und Staatlichkeit einer Gesellschaft implementieren wollte, die doch völlig anders funktioniert. Man hätte wissen können um die patriarchale Familienstruktur unter ihrem Ehrenkodex im rigiden, frauendiskriminierenden Islam der Taliban und dessen zähe Selbstverteidigung, verweist Susanne Schröter auch auf ihre eigenen Studien und nennt es ignorante Anmaßung, westlichen Maßstab anwenden zu wollen, dem selbst ja noch nicht einmal Genüge getan werde.

Die Autorin erläutert ihre Analyse eloquent, das Buch liegt zwar vor ihr, doch wenig nur zitiert sie daraus. Die Fragen des Moderators nutzt sie, um konzentriert und deutlich einige ihrer Themen anzusprechen: „Ich bin sauer, was innenpolitisch passiert“, wenn etwa universitäre Forschungsanträge in ihrem Fachbereich abgelehnt werden, weil das Ergebnis nicht genehm sein könnte und fordert zugleich „mehr Aufrichtigkeit und Demut in unserer Außenpolitik“. Alle Welt belehren zu wollen, wie Demokratie geht, werde von vielen Ländern als nervig empfunden, weil eine Doppelmoral in der Praxis der Demokratien ja erkannt werde. Sie fordert: „Keine Einmischung in innere Angelegenheiten“ (es sei denn die Anwendung der Internationalen Schutzverantwortung): „Völker müssen ihre Freiheit selbst erkämpfen.“

„Zeitenwende“? Die Professorin widerspricht: Die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands wüchse doch gerade – Energieeinkauf beim Emir von Katar oder im totalitär regierten Aserbaidschan als neue Liefer-Partner sei hochgradig inkonsequent, wie der Transport von Fracking-Gas höchst umweltschädigend, weshalb der Begriff „Zeitenwende“ lediglich  Wortgeklingel sei. „Bitte, den Mund nicht so voll nehmen“, fordert die Wissenschaftlerin. Denn, dass Deutschland eine der stärksten Demokratien sei, die Menschen hier in der freiesten und wohlhabendsten Gesellschaft mit kostenloser Bildung leben, betont Susanne Schröter auch. „Einzigartig“ zwar – aber „mit Luft nach oben“. Wie viel, erklärt sie auf den 240 Seiten ihres Buches.

Foto: Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam/Herder-Verlag