Schon die Muttermilch war literaturgetränkt. Als leidenschaftliche Leserin ließ Mutter Hoppe ihre fünf Kinder an ihren Lektüren-Erlebnissen nacherzählend, nachfiebernd und -leidend teilhaben. Selbst lesen musste Felicitas Hoppe nicht mehr – die Mutter hatte alles schon vorgeführt und Literatur Teil des Familienlebens werden lassen. So erzählt die produktive, mit vielen Preisen bedachte Wiesbadener Poetikdozentin des Jahres 2005 an Fastnachts-Sonntagabend im Kapellchen „Monta“. Mutig die Einladung von Veranstalterin Kathrin Schwedler am Tag des Fastnachtszugs; ebenfalls Mut beweist das Publikum, aus der trubeligen Stadt auf den Schulberg zu steigen, wie auch die Autorin, in die verriegelte Stadt überhaupt erst einmal hineinzukommen. Und dann passte denn doch ihr Thema: Camouflage und Realität, Text und Welt höchst originell zum Tag der Kostümierung.
Felicitas Hoppe liest aus ihren älteren Büchern, etwas der Traumbiografie „Hoppe“ mit den Verwandlungen des Autorinnen-Ich in ein Mädchen aus dem kanadischen Brantfort (während sie selbst aus Hameln stammt), fiktiv verliebt in den Eishockey-Star Wayne Gretzky, während Felicitas Hoppe selbst später den Bürgermeister von dort kennenlernt, in das Haus der Gretzkys eingeladen wird und es dort genauso aussieht, wie sie es im Buch erfunden hat. „Ein faszinierendes Erlebnis“. Die Eishockey-Montur wiederum gleicht einer Ritterrüstung, die Iwein trägt im Kinderbuch „Iwein Löwenritter“, der aus Langeweile Abenteuer sucht, wie auch Felicitas Hoppe selbst, als sie 1997 aufbricht zu einer viermonatigen Container-Reise („meine schönste, aber nicht empfehlenswert“), die sie in ihrem Roman-Debüt „Pigafetta“ mit dem gleichnamigen Magellan-Begleiter nachfabuliert und die Seenot-Szene liest mit ihren subtil ironischen Rettungsanweisungen für den Bau einer Arche Noah.
Der Name „Pigafetta“ birgt so viel Reiz für die Autorin wie der Klang von „Happolati“, Vermieter aus Knut Hamsuns Roman „Hunger“, für dessen Neuausgabe (erschienen bei Manesse Anfang des Jahres) sie ein Nachwort geschrieben hat. Felicitas Hoppe wird Hamsun wie die Memoiren des Seefahrers Pigafetta doch gelesen haben, obwohl sie aus einem Haus mündlicher Literaturvermittlung stammt, wie sie im Text „Gesammeltes Unglück“ über die erzählfreudige Mutter nun selbst erzählt. Die Bücher selbst brauchte sie damals nicht – „Schreiben war besser“. Doch wenn sich im Schreiben Erlebtes und Erfundenes mischen, die Fiktion größeren Wahrheitsanspruch stellt als Fakten – was kann, was soll man da noch glauben? Aus dem Publikum kommen Fragen. Ja, Felicitas Hoppe weiß, dass sich Parameter durch Fake News verschoben haben, doch Dokumentarisches und Fiktives sind als Genres weiterhin nicht zu verwechseln: Journalismus ist keine Literatur, und der Text eben nicht die Welt. So klar und deutlich Felicitas Hoppe aus ihren Büchern gelesen hat, so freundlich dezidiert begegnet sie ihrem Publikum und weiß, dass Literatur „Begeisterndes“ wie auch „Bedrohliches“ auslösen kann. Was von beidem gewählt wird, liegt in der „Freiheit der Lesenden“. Und sie selbst? „Ich lese, wie ich will.“ Und Felicitas Hoppe erzählt, was sie will – aus dem Stoff der Sagen und Märchen, der erfundenen und historischen Figuren und dabei von sich selbst – versteckt eben in vielen Kostümen.