Leidenschaft für das schöne Buch

21.04.2020 / Ingeborg Toth


Lothar Wekel leitet in seinem Wiesbadener Verlagshaus Römerweg sechs verschiedene Verlage. Im Waldemar-Kramer-Verlag ist im vergangenen Jahr Ewald Hetrodts Buch „Die Unverfrorenen“ erschienen – eine Studie über Amts-und Machtmissbrauch in der Hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden.


 

„Juristisch schwierig – aber ungeheuer interessant.“ So schätzte der Verleger Lothar Wekel im Jahr 2019 das Manuskript des Journalisten Ewald Hetrodt ein. Wekel gab es schließlich als Buch heraus – und erregte im politisch interessierten Wiesbaden beispielloses Aufsehen: „Die Unverfrorenen. Wie Politiker unsere Städte als Beute nehmen.“ Erschienen in einem der sechs Verlage, die sich unter dem Dach des Verlagshauses Römerweg befinden, dessen leidenschaftlicher Inhaber Wekel ist. „Zehn Jahre Wiesbadener Kommunalpolitik zu einem Gesamtbild zusammengefasst“, so der Verleger. Wie Pfründe in der hessischen Landeshauptstadt nach Gutsherrenart verteilt wurden, davon handelt das Buch, dessen erste Auflage im Nu vergriffen war.

Wegen einer technischen Panne in der Buchauslieferung war das Buch ein paar Tage später als auf dem Markt angekündigt. Schon hieß es, „Die Unverfrorenen“ würden gar nicht erscheinen. Dann setzte ein Hype ein, wie Wekel ihn nicht einmal bei Elke Heidenreichs Bestseller über den Rhein („Alles fließt“) erlebt hat. Der Verlag sah sich aber auch mit einer Welle von Prozessen konfrontiert. Von drei der im Buch beschriebenen Protagonisten angezettelt, die alle mit Klarnamen genannt werden. Die Richter entschieden zu Gunsten des Beklagten. In der zweiten und dritten Auflage mussten lediglich „zwei, drei Sätze geändert werden“, so Wekel. „Gut 98 Prozent der Aussagen und des Textes blieben unverändert.“

Die Adresse Römerweg 10 gibt dem „Verlagshaus Römerweg“ seinen Namen. Unter einem Dach sind sechs Verlage zu finden: Corso, Edition Erdmann, Berlin University Press, Waldemar Kramer, marixverlag und Weimarer Verlagsgesellschaft. Viele davon sind Übernahmen. Die Eigengründung des Verlegers Wekel, „marix“, ist der umsatzstärkste unter den Sechsen. „marix“ gibt Bücher zu Philosophie, Geschichte und Religion heraus – Programme, für die sich der Verleger besonders interessiert. „marixwissen“ heißt eine Reihe ebenso preiswerter, schöner wie interessanter Bücher, die sich vom „Dreißigjährigen Krieg“ über „Die Wittelsbacher“ und „Die Etrusker“ mit vielem beschäftigen – bis zur Geschichte des Antisemitismus in zwei Bänden.

Mit den Büchern der Edition Erdmann lässt sich die Welt entdecken. Mit Magellan kann man die Welt umsegeln, Fridtjof Nansens Polarexpedition des Jahres 1893 wird eindrucksvoll nacherzählt, der Grand Canyon erforscht, mit James Cook lässt sich eine Entdeckungsfahrt im Pazifik unternehmen. Wissensdurst befriedigt Berlin University Press. Ob Philosophie für Hunde- und Katzenfreunde, Luthers Abneigung gegen Juden – „Von Juden und ihren Lügen“ mit einer „Judensau“- Abbildung auf dem Titelbild – bis zu Leonardo Da Vinci und seiner Zeit, wird hier vieles behandelt. Bücher, die wie Schneisen durch Wälder führen, die Orientierung bieten und dabei leicht lesbar sind, so sagte einst Verlagsgründer Gottfried Honnefelder. Berlin University Press widmet sich der Literatur und Wissenschaft. „Je mehr der Berg des Wissens wächst, je mehr sich unsere moderne Lebenswelt differenziert, umso intensiver wird das Bedürfnis, diese unübersehbare Vielfalt der Erkenntnisse und ihrer Anwendung in ein Bild zu integrieren.

Im Waldemar-Kramer-Verlag erschien Hetrodts „Die Unverfrorenen“, ein politischer Krimi und zugleich ein politisches Lehrstück über die strukturelle Schieflage einer deutschen Großstadt. Passte gut zum Waldemar Kramer Verlag, der sich seit der Gründung mit Themen aus Frankfurt und um Frankfurt herum beschäftigt. Ob Georg Brentanos Briefe „Dein treuer Bruder…“ oder die Geschichte der Battenbergs als europäische Familie mit Stammsitz in Seeheim-Jugenheim bis zur Geschichte Hessens – der 2010 dem Verlagshaus Römerweg angegliederte Traditionsverlag ediert Spezielles aus Hessen. Zur Eröffnung des Friedrich- Stoltze-Museums in der Frankfurter Altstadt gab der Kramer-Verlag erstmalig Briefe des Mundartdichters heraus.

Das Verlagsprogramm von Corso, das seit 2014 in Wiesbaden gestaltet wird, eröffnet neue Horizonte und will der Sehnsucht Raum geben: Hier passte Elke Heidenreichs Venedig als Stadt der Musik hinein, oder eine literarische Reise nach Oslo und die Geschichte der legendären Rennstrecke „Mille Miglia“: „Tausend Meilen Dolce Vita“.

Das besondere Augenmerk der Weimarer Verlagsgesellschaft gilt den kulturellen Schätzen des Städtchens von Wieland, Goethe, Herder und Schiller. Die „Weimarer Biografien“ und die „Weimarer Texte“ bilden wichtige Pfeiler innerhalb des Verlagsprogramms, das von der deutschen Klassik über die Bauhauszeit bis ins Heute reicht. Sorgfältig verlegt werden darüber hinaus opulente Bildbände, Monografien und Sachbücher, Lexika und Ausstellungskataloge, so zuletzt der „Sardellen Salat sehr gut“ aus dem Goethe- und Schiller-Archiv.

Lothar Wekel hatte viele Stationen in der Welt der Bücher hinter sich, ehe er 2002 nach Wiesbaden kam. Alles begann mit einer Buchhandelslehre bei Bouvier in Bonn – einer Bonner Institution. Es folgte interessante Jahre bei den Buchhandelsketten Gondrom und Weltbild. Die Bertelsmänner machten ihn zum Chef des gleichnamigen Buchclubs, zuletzt arbeitete er im Rolf Heyne Verlag. Nachdem er die Branche aus allen Blickwinkeln studiert hatte, war es Zeit, unter die Verleger zu gehen.

Er kaufte Anfang 2002 den Fourier-Verlag, auf Judaika spezialisiert, und war damit endgültig in Wiesbaden angekommen. Seither ist das Unternehmen auch durch Übernahmen gewachsen. Lothar Wekel hat auf seiner Lebensstrecke Hannover kennengelernt, Bad Godesberg, Bonn, Köln, Bayreuth, Augsburg, Rheda-Wiedenbrück und München. Gelandet ist er schließlich auf der Biebricher Adolfshöhe, wo er in einer schönen alten Villa ein bisschen wie ein Schlossherr residiert. Und dabei mit seinen Mitarbeitern betont freundlich umgeht. Seine Devise: Leben und leben lassen. Er dient mit Leidenschaft dem schönen Buch – und hat damit auch noch Erfolg.