Literaturfestival 2023: „Und nächstes Jahr Maschinenprosa?“

05.07.2023 / Förderverein Literaturhaus Wiesbaden, Viola Bolduan


„… und nächstes Jahr Maschinenprosa?“ KI und Literatur

„Die Sonne senkte sich am westlichen Horizont und tauchte die australische Wildnis in warmes orangefarbenes Licht.“ Soweit der Beginn des Textes „Alpha Centauri in Ewigkeit“ – ein Beispiel aus der gemeinsamen Produktion von Autorin Jenifer Becker und ChatGPT (Generative Pre-Trained Transformer: sprach-und textbasierter und -trainierter Chatbot), das die Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt „Kreatives Schreiben mit KI“ am Literaturinstitut Hildesheim auf dem Literaturfestival vorstellt. Andreas Mach liest einen Text über ein im australischen Outback verlorengehendes Paar, der formal linear verläuft mit vielen vagen Adjektiven, aber durchaus stupenden Komposita. Jenifer Becker hat ChatGPT heftig prompten (fordern) müssen („55 enggesetzte Seiten Dialog mit ChatGPT für 5 Normseiten Kurzgeschichte“), bis sie als Autorin halbwegs mit dem Resultat zufrieden sein konnte. Mit weniger Einfluss der Autorin greift der Text „Alpha Centauri in Wiesbaden“ so tief in die Klischeekiste, dass das Publikum heftig lachen muss. Warum ChatGPT nicht mehr kann, als eben aus den Tiefen der ihm zur Verfügung stehenden Text-Referenzen nach einer nächstmöglichen und wahrscheinlichen Weiterführung zu suchen, erklärt IT-Experte Wolfram Brandes, der darüber hinaus auf Probleme der Urheberschaft eines mit ChatGPT generierten Textes aufmerksam macht.

Ergebnis: Für manche formelle Schriftlichkeit mag ChatGPT hilfreich sein – an Literatur stößt sich KI eine blutige Nase. Die Metapher würde KI übrigens nicht verstehen … und auch keinen Spaß. Deshalb hat Jenifer Becker ihren Debüt-Roman auch ganz eigenständig, ohne KI, geschrieben. „Zeiten der Langeweile“ kommt im August heraus und handelt davon, wie es einer Frau ohne jeglichen digitalen Zugang ergeht. Nämlich wie? Darüber später, wenn der Roman vorliegt.

Text: Viola Bolduan