Literaturforum am 11. August 2020 im Online-Chat

Christine Wunnicke: Nagasaki, ca. 1642


Berenberg Verlag GmbH, Berlin 2020 (erstmals 2010 in der Edition Epoca)

In Christine Wunnikes Novelle „Nagasaki, ca. 1642“ treffen zwei Männer aus „Japonica“ und „Oranda“ aufeinander, die nicht unterschiedlicher sein könnten.

Der ehemals berühmte Krieger Seki Keijiro, der seine Tage mit Bänderweben verbringt, nimmt einen Posten als Inspektor in Nagasaki an, um eine mehr als vierzig Jahre alte Rechnung zu begleichen. Dort ist er für die Niederländische Ostindien-Kompanie zuständig, die auf der vorgelagerten Insel Deshima Handel treibt. Abel van Rheenen, ein jugendlicher „Orandese“, gehört zur Besatzung der „Middelburg“, die dort Anker wirft. Abel ist laut, zappelig, ein Vielredner, für seine Mitmenschen eine Aufmerksamkeit suchende Nervensäge. Aber das Lernen von Sprachen fällt ihm leicht, so eignet er sich ein wenig „Japonesisch“ an und wird als Dolmetscher eingesetzt. In dieser Funktion trifft er auf Keijiro, von dem er zugleich fasziniert ist. Er hängt sich an dessen Fersen und will von ihm lernen. Der Inspektor mag Abel ebenfalls, jedoch will er vor allem ein altes Racheversprechen einlösen. Das hat er dem geliebten, durch einen Kanonenunfall getöteten Samurai Kurihara Yuudai gegeben, der als Geist keine Ruhe findet. So sucht Keijiro nach denjenigen, denen das Schiff „Rifuto“ gehört. Für Abel, den fleißig lernenden Übersetzer, ist klar, dass dies das holländische Schiff „Liefde“ (Liebe, Gottesliebe) ist, ein Schiff seiner Familie…

„Nagasaki, ca. 1642“ misst gleichermaßen die Möglichkeiten und Grenzen der Verständigung mit dem Fremden als auch die Liebe und ihre Abgründe aus. Ohne Kitsch, dafür mit beglückendem Gespür für Poesie und mit viel Humor.

Rita Thies