Literaturforum am 11. Juni 2019

Yasushi Inoue: Das Jagdgewehr / Minna Rytisalo: Lempi, das heißt Liebe


Yasushi Inoue (1907 – 1991) zählte zu seinen Lebzeiten in Deutschland zu den meistgelesenen japanischen Autoren. Seine Novelle „Das Jagdgewehr“ veröffentlichte er in Japan im Jahr 1949, bei uns ist die Erzählung als Suhrkamp-Tb zu erwerben.
In „Das Jagdgewehr“ verfasst der Erzähler für die Jagdzeitschrift eines alten Freundes ein Gedicht mit eben diesem Titel, ein Werk, in welchem er der Jägerei gegenüber kritische Töne anschlägt. Einige Wochen später erhält er den Brief eines Josuke Misugi, der sich als der im Gedicht beschriebene Jäger erkannt hat. Außergewöhnlich ist, dass Misugi dem Erzähler kurz darauf drei Abschiedsbriefe von drei Frauen zusendet. Er bittet ihn, sie zu lesen und anschließend zu verbrennen. Geschrieben haben die Briefe seine Nichte, deren Mutter Saiko und seine Frau. Über dieses Erzählkonstrukt entfaltet sich das Geschehen, und sichtbar wird eine Geschichte des Betruges, der Liebeswünsche, der Lügen und der Einsamkeit. Eine kurze, aber gewaltige und zeitlose Erzählung.

Die 1974 in Lappland geborene Finnisch-Lehrerin und Bloggerin Minna Rytisalo wurde für ihren Debütroman „Lempi, das heißt Liebe“ in Finnland gleich mehrfach ausgezeichnet. Rytisalo entwickelt ihre Geschichte vor dem Hintergrund des Lappland-Krieges in Finnland gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Lempi, eine lebenslustige junge Frau, Abiturientin, heiratet einen jungen Bauern, Viljami, und zieht zu ihm aufs Land. Viljami stellt als Hilfe die Magd Elli ein. Kurz nachdem der Bauer zum Kriegsdienst eingezogen wird, die Bevölkerung in wechselnder Kriegspartnerschaft zwischen Deutschen und Russen aufgerieben wird, verschwindet auch Lempi vom Hof. Sie habe ihr Kind zur Welt gebracht und sei dann mit den Deutschen auf und davon, so die Magd. Was ist passiert? – Der Roman geht mit uns Lesern auf Spurensuche, die anwachsende Spannung entwickelt sich dabei versteckt, fast nebenbei… Auch das Erzählkonstrukt dieses Romans baut auf drei Perspektiven: Erzählt wird der Roman aus der Sicht von Viljami, aus der Sicht der Magd und aus der von Lempis Zwillingsschwester Sisko. Lempi selbst kommt nicht zu Wort, sie, die „Liebe“ als Gegenüber, dient vielmehr als Projektionsfläche für all die Gefühle, Werthaltungen und Lebenswünsche der anderen.

(Rita Thies)