Literaturforum am 12. Mai 2020 im Online-Chat

Monika Helfer: Die Bagage


Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München 2020, 159 Seiten


Die österreichische Autorin Monika Helfer schreibt mit „Die Bagage“ eine Autofiktion um ihre Familie mütterlicherseits.

Maria und Josef Moosbrugger – ihre Großeltern – leben im Jahr 1914 mit bis dato vier Kindern in den Bergen, abseits des Ortes. Das junge Paar lebt prekär, aber glücklich, doch sie sind Gegenstand des Tratsches der Dorfbewohner, denn beide sind sehr attraktive Menschen. Insbesondere Maria ist von außergewöhnlicher Schönheit und beflügelt die Fantasien sowohl der Männer als auch der Frauen des Ortes. Unerfüllte sexuelle Fantasien, die sich in  Nachstellungen, in Boshaftigkeiten und Unterstellungen ausleben.

Als Josef im September 2014 seinen Einberufsbefehl erhält, beauftragt er den Bürgermeister des Ortes, Gottlieb Fink, mit dem er undurchschaubare „Geschäfte“  betreibt, sich um seine Frau zu kümmern. Dem kommt Fink mit Vergnügen nach, denn auch er stellt der Schönen nach. Maria lernt derweil einen anderen Mann kennen, der sie anzieht: Georg aus Hannover …

Als Maria wieder schwanger wird, brodelt die Gerüchteküche im Ort. Der Pfarrer bricht den Stab über sie: das Kind, das sie erwarte, sei nicht von Josef …

Das Kind ist Grete, die Mutter der Erzählerin. Letztere, Alter Ego der Autorin, ist in der Geschichte durchgehend präsent, sie zieht die Verbindungslinien des Geschehenen bis in ihre Gegenwart. „Die Bagage“, das ist nicht nur die abschätzige Bezeichnung, mit der die Dorfbewohner ihre Vorfahren ausgrenzen, sondern eben auch das Gepäck, das man in der Familie der Erzählerin weitergereicht hat.

Rita Thies