Literaturforum am 22. Februar 2022 – via Zoom

Pilar Quintana: Hündin / Ottessa Moshfegh: Der Tod in ihren Händen


Pilar Quintana: Hündin, Berlin 2020 (Aufbau Verlag GmbH & Co KG, Original 2017 Barcelona)

Ottessa Moshfegh: Der Tod in ihren Händen, Berlin 2021 (Hanser Berlin, Original 2020 New York)

Beide Romane, die diesmal zur Diskussion stehen, eint, dass in ihnen von Frauen, ihren gescheiterten Lebensträumen, ihren Abgründen und den besonderen Beziehungen zu ihren Hunden erzählt wird. Die eine Geschichte spielt in Kolumbien, die andere in den Vereinigten Staaten.

 

Pilar Quintana: Hündin

Pilar Quintana (geb. 1972) ist eine der bekanntesten Autorinnen Lateinamerikas und hat mit „Hündin“ einen der meistverkauften Romane in Kolumbien in den letzten Jahren geschrieben. Dort wurde er mit dem Premio Biblioteca de Narrativa Columbiana ausgezeichnet, in Deutschland erhielt die Autorin für den Roman 2021 den LiBeraturpreis*.

Ihre Protagonistin Damaris, eine arme, schwarze Frau, lebt mit ihrem Mann Rogelio, einem Fischer, in einer kleinen Hütte an der kolumbianischen Pazifikküste, nicht weit vom Dschungel entfernt. Die Vierzigjährige ist zutiefst frustriert, denn ihre Ehe, die sie schon in jungen Jahren einging, ist kinderlos geblieben. Als sie die Möglichkeit erhält, einen Welpen zu bekommen, nimmt sie die winzige Hündin sofort zu sich. Sie trägt sie in ihrem BH an ihrer Brust herum und nennt sie „Chirli“. So sollte eigentlich die Tochter heißen, die sie nie bekommen hat.

Chirli wird zum Kindersatz – das ist keine ungewöhnliche Geschichte. Doch Damaris‘ übertriebene Liebe zu dem Tier erfährt Enttäuschung: Als die Hündin größer wird, verschwindet sie eines Tages, streunt über einen Monat herum. Damaris‘ anfängliche Sorge um Chirli ob der Gefahren, der sie im Dschungel ausgesetzt sein könnte, weicht einem wachsenden Groll. Denn schließlich wird die Hündin, nachdem sie wiederholt weggelaufen ist, trächtig. Als ihr Nachwuchs das Licht der Welt erblickt, interessiert sich die Hündin überhaupt nicht für ihn. Damaris‘ enttäuschte Hoffnung und ihre unerfüllte Sehnsucht nach einem anderen Leben werden eben auch von ihrer Hündin nicht eingelöst – die Tragödie nimmt ihren Lauf…

 

Ottessa Moshfegh: Der Tod in ihren Händen

„Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche.“  – Gleich zu Beginn dieses Romans der US-amerikanischen Autorin Ottessa Moshfegh (geb. 1981) findet ihre Protagonistin Vesta Guhl einen Zettel mit diesen Worten in dem Birkenwald neben der Hütte, in der sie wohnt. Vesta ist seit Kurzem Witwe und eben erst mit ihrem Hund Charlie in eine Einöde im amerikanischen Osten gezogen, tausende Kilometer fort von ihrem ehemaligen Wohnort. Die Zweiundsiebzigjährige lebt allein, Charlie ist ihr „Kind und Beschützer zugleich“.

Das Problem: Es gibt keine Leiche, jedenfalls findet Vesta keine. Was anfängt wie ein Auftakt zu einem Krimi, entzieht den Leser*innen alsbald alle Gewissheiten. Denn die Protagonistin, deren Gedanken wir in einem fortdauernden Bewusstseinsstrom folgen, entpuppt sich als sehr unzuverlässige Erzählerin. In ihrer Einsamkeit ist der Zettel nicht nur Anlass zur Angst, sondern vor allem auch die Möglichkeit, sich zu beschäftigen. Sie versucht dem Geschehen um Magda auf den Grund zu gehen und denkt sich dabei das mögliche Geschehen, Figuren und Motive aus. Die Phantasien entwickeln sich nach und nach zum Wahn, zumal Vesta sie auf die wenigen Personen überträgt, die ihr als Polizisten oder Nachbarn in ihrem Umfeld begegnen. In ihren Phantasien wird sie von allen abgelehnt oder angegriffen. Gleichzeitig bestätigt sie sich selbst in der steten Abwertung anderer, Empathie scheint ihr völlig fremd zu sein. Die Schuld gibt sie ihrem verstorbenen Mann, einem Universitätsprofessor, der sie stetig hintergangen und abgewertet haben soll. Aber stimmt das alles? Hat sie ihr Leben nicht selbst verpasst? – Auch hier nimmt die Tragödie schließlich ihren Lauf, auch Hund Charlie ist schließlich von ihren Phantasien nicht mehr ausgenommen…

*1987 von der Initiative LiBeraturpreis e.V. ins Leben gerufen, wird der LiBeraturpreis seit 2013 von Litprom vergeben. Der Preis zeichnet jährlich einen besonders beliebten Titel einer Autorin aus Afrika, Asien, Lateinamerika oder der Arabischen Welt aus.

 

Rita Thies

 

Hinweis: Interessierte, die teilnehmen möchten und nicht im Verteiler des Literaturforums sind, können den Zoom-Link gern ab dem 18.02.2022 unter literaturforum.wiesbaden@online.de anfordern.