Sagen Sie mal, Herr Schöne, Sie haben jetzt insgesamt 30 Titel publiziert – 30 Bücher, die zum Teil sehr unterschiedlich sind. Zuletzt fünf Krimis hintereinander. Aus welchem Grund?

Ich habe festgestellt, dass man in Krimis wichtige Themen einerseits spannend, andererseits auch witzig darstellen kann. Eben das versuche ich.

Sie lassen in dem neuen Krimi „Der Tod wohnt im Rheingau“ jetzt zum fünften Mal dasselbe Personal auftreten – das Ermittlerduo Julia Wunder und ihren griechisch-stämmigen Assistenten Vlassopolous Spyridakis. Lernt man dabei als Autor seine Figuren von Mal zu Mal besser kennen?

Absolut! Vlassi ist mir schon so vertraut, dass ich ihm beim Schreiben mitteile, wenn ich mal aufs Klo muss.

Ist dieser Spyridakis, Vlassi genannt, ein Kumpel, wie Sie ihn sich immer gewünscht haben?

Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Mitunter habe ich sogar das Gefühl, mich auf ein Bier mit ihm verabreden zu sollen.

Im Krimi entdeckt Vlassi seine Leidenschaft für das Theater und die Schauspielerei. Kann es sein, dass er damit seinem Schöpfer – Ihnen – ähnlich ist? Webt man als Autor gelegentlich auch eigene Sehnsüchte in einen Text?

Sie haben mich durchschaut. Schauspieler sind mir nahe, und ich habe in jungen Jahren sogar mit dem Gedanken gespielt, einer zu werden.

Der Krimi gibt – so seltsam das klingen mag – auch immer mal Anlass zum Schmunzeln. Wann haben Sie Humor als ein Element entdeckt, dass unser aller Leben erträglicher macht?

Ohne Humor ist unser Leben nicht nur unerträglich, sondern auch trostlos. Humorlose Menschen tauchen bei mir auch mal auf – sie sind allesamt bedauernswert.

Sie haben die unterschiedlichsten Berufe ausgeübt. Welches Talent haben Sie erst relativ spät in Ihrem Leben entdeckt?

Jedenfalls nicht das Schreiben. Als Schüler schon habe ich eine Schulzeitung ins Leben gerufen – und was war mein erster Artikel? Ein Gespräch mit einem damals sehr bekannten Schauspieler, Josef Offenbach. Ich habe ihn im Theater aufgesucht und durfte mir das Stück, in dem er die Hauptrolle spielte, aus den Kulissen ansehen. Danach hat er mit mir gesprochen als sei ich ein Kollege.


Dr. Lothar Schöne ist Mitglied des Beirats des Fördervereins Literaturhaus Wiesbaden.

Den Podcast zum Buch „Der Tod im Rheingau“ finden Sie hier.

Lothar Wekel leitet in seinem Wiesbadener Verlagshaus Römerweg sechs verschiedene Verlage. Im Waldemar-Kramer-Verlag ist im vergangenen Jahr Ewald Hetrodts Buch „Die Unverfrorenen“ erschienen – eine Studie über Amts-und Machtmissbrauch in der Hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden.


 

„Juristisch schwierig – aber ungeheuer interessant.“ So schätzte der Verleger Lothar Wekel im Jahr 2019 das Manuskript des Journalisten Ewald Hetrodt ein. Wekel gab es schließlich als Buch heraus – und erregte im politisch interessierten Wiesbaden beispielloses Aufsehen: „Die Unverfrorenen. Wie Politiker unsere Städte als Beute nehmen.“ Erschienen in einem der sechs Verlage, die sich unter dem Dach des Verlagshauses Römerweg befinden, dessen leidenschaftlicher Inhaber Wekel ist. „Zehn Jahre Wiesbadener Kommunalpolitik zu einem Gesamtbild zusammengefasst“, so der Verleger. Wie Pfründe in der hessischen Landeshauptstadt nach Gutsherrenart verteilt wurden, davon handelt das Buch, dessen erste Auflage im Nu vergriffen war.

Wegen einer technischen Panne in der Buchauslieferung war das Buch ein paar Tage später als auf dem Markt angekündigt. Schon hieß es, „Die Unverfrorenen“ würden gar nicht erscheinen. Dann setzte ein Hype ein, wie Wekel ihn nicht einmal bei Elke Heidenreichs Bestseller über den Rhein („Alles fließt“) erlebt hat. Der Verlag sah sich aber auch mit einer Welle von Prozessen konfrontiert. Von drei der im Buch beschriebenen Protagonisten angezettelt, die alle mit Klarnamen genannt werden. Die Richter entschieden zu Gunsten des Beklagten. In der zweiten und dritten Auflage mussten lediglich „zwei, drei Sätze geändert werden“, so Wekel. „Gut 98 Prozent der Aussagen und des Textes blieben unverändert.“

Die Adresse Römerweg 10 gibt dem „Verlagshaus Römerweg“ seinen Namen. Unter einem Dach sind sechs Verlage zu finden: Corso, Edition Erdmann, Berlin University Press, Waldemar Kramer, marixverlag und Weimarer Verlagsgesellschaft. Viele davon sind Übernahmen. Die Eigengründung des Verlegers Wekel, „marix“, ist der umsatzstärkste unter den Sechsen. „marix“ gibt Bücher zu Philosophie, Geschichte und Religion heraus – Programme, für die sich der Verleger besonders interessiert. „marixwissen“ heißt eine Reihe ebenso preiswerter, schöner wie interessanter Bücher, die sich vom „Dreißigjährigen Krieg“ über „Die Wittelsbacher“ und „Die Etrusker“ mit vielem beschäftigen – bis zur Geschichte des Antisemitismus in zwei Bänden.

Mit den Büchern der Edition Erdmann lässt sich die Welt entdecken. Mit Magellan kann man die Welt umsegeln, Fridtjof Nansens Polarexpedition des Jahres 1893 wird eindrucksvoll nacherzählt, der Grand Canyon erforscht, mit James Cook lässt sich eine Entdeckungsfahrt im Pazifik unternehmen. Wissensdurst befriedigt Berlin University Press. Ob Philosophie für Hunde- und Katzenfreunde, Luthers Abneigung gegen Juden – „Von Juden und ihren Lügen“ mit einer „Judensau“- Abbildung auf dem Titelbild – bis zu Leonardo Da Vinci und seiner Zeit, wird hier vieles behandelt. Bücher, die wie Schneisen durch Wälder führen, die Orientierung bieten und dabei leicht lesbar sind, so sagte einst Verlagsgründer Gottfried Honnefelder. Berlin University Press widmet sich der Literatur und Wissenschaft. „Je mehr der Berg des Wissens wächst, je mehr sich unsere moderne Lebenswelt differenziert, umso intensiver wird das Bedürfnis, diese unübersehbare Vielfalt der Erkenntnisse und ihrer Anwendung in ein Bild zu integrieren.

Im Waldemar-Kramer-Verlag erschien Hetrodts „Die Unverfrorenen“, ein politischer Krimi und zugleich ein politisches Lehrstück über die strukturelle Schieflage einer deutschen Großstadt. Passte gut zum Waldemar Kramer Verlag, der sich seit der Gründung mit Themen aus Frankfurt und um Frankfurt herum beschäftigt. Ob Georg Brentanos Briefe „Dein treuer Bruder…“ oder die Geschichte der Battenbergs als europäische Familie mit Stammsitz in Seeheim-Jugenheim bis zur Geschichte Hessens – der 2010 dem Verlagshaus Römerweg angegliederte Traditionsverlag ediert Spezielles aus Hessen. Zur Eröffnung des Friedrich- Stoltze-Museums in der Frankfurter Altstadt gab der Kramer-Verlag erstmalig Briefe des Mundartdichters heraus.

Das Verlagsprogramm von Corso, das seit 2014 in Wiesbaden gestaltet wird, eröffnet neue Horizonte und will der Sehnsucht Raum geben: Hier passte Elke Heidenreichs Venedig als Stadt der Musik hinein, oder eine literarische Reise nach Oslo und die Geschichte der legendären Rennstrecke „Mille Miglia“: „Tausend Meilen Dolce Vita“.

Das besondere Augenmerk der Weimarer Verlagsgesellschaft gilt den kulturellen Schätzen des Städtchens von Wieland, Goethe, Herder und Schiller. Die „Weimarer Biografien“ und die „Weimarer Texte“ bilden wichtige Pfeiler innerhalb des Verlagsprogramms, das von der deutschen Klassik über die Bauhauszeit bis ins Heute reicht. Sorgfältig verlegt werden darüber hinaus opulente Bildbände, Monografien und Sachbücher, Lexika und Ausstellungskataloge, so zuletzt der „Sardellen Salat sehr gut“ aus dem Goethe- und Schiller-Archiv.

Lothar Wekel hatte viele Stationen in der Welt der Bücher hinter sich, ehe er 2002 nach Wiesbaden kam. Alles begann mit einer Buchhandelslehre bei Bouvier in Bonn – einer Bonner Institution. Es folgte interessante Jahre bei den Buchhandelsketten Gondrom und Weltbild. Die Bertelsmänner machten ihn zum Chef des gleichnamigen Buchclubs, zuletzt arbeitete er im Rolf Heyne Verlag. Nachdem er die Branche aus allen Blickwinkeln studiert hatte, war es Zeit, unter die Verleger zu gehen.

Er kaufte Anfang 2002 den Fourier-Verlag, auf Judaika spezialisiert, und war damit endgültig in Wiesbaden angekommen. Seither ist das Unternehmen auch durch Übernahmen gewachsen. Lothar Wekel hat auf seiner Lebensstrecke Hannover kennengelernt, Bad Godesberg, Bonn, Köln, Bayreuth, Augsburg, Rheda-Wiedenbrück und München. Gelandet ist er schließlich auf der Biebricher Adolfshöhe, wo er in einer schönen alten Villa ein bisschen wie ein Schlossherr residiert. Und dabei mit seinen Mitarbeitern betont freundlich umgeht. Seine Devise: Leben und leben lassen. Er dient mit Leidenschaft dem schönen Buch – und hat damit auch noch Erfolg.

„Die Zeiten, die wir gerade erleben, sind für viele Autoren existenzbedrohend. Sie leben von Lesungen, vom Verkauf ihrer Bücher,“ sagt Autor Jochen Frickel. Ihn selbst trifft es nicht so hart, er ist „Rentner und Hobbyschriftsteller“. Doch auch er, der in den vergangenen Monaten durch die Lande gereist ist und seinen Roman über den Prinzenraub in der Villa Clementine bei vielen Gelegenheiten vorstellte, vermisst die kreative Auseinandersetzung mit dem Publikum.

„Die Villa Clementine als Literaturhaus der Stadt Wiesbaden ist ja derzeit geschlossen und niemand weiß, wann die Villa wiedereröffnet werden kann“, so Frickel. Allein deshalb kann er sich vorstellen, dass viele Menschen gerade jetzt das Bedürfnis haben, sich mit dem schönen Gebäude und seiner Vergangenheit auseinander zu setzen. „Das Buch bietet eine Möglichkeit, zumindest in der Fantasie in diese Villa einzutreten, die historischen Räume zu bestaunen und in die Zeit des 19. Jahrhunderts einzutauchen.“ Erstmals vorgestellt hat Frickel den Roman mit dem Titel „Villa Clementine – ein Politthriller aus Wiesbaden“ in einer Veranstaltung des Fördervereins Literaturhaus im Marktkeller, moderiert von dem Historiker Dr. Bernd Blisch. „Danach hat sich das Buch gut verkauft“, so der Autor. In diesen Zeiten wäre Frickel bereit gewesen, ein bestimmtes Kontingent von bereits gedruckten Büchern kostenlos an Interessierte abzugeben. Aber der Verleger winkte ab – zu schwierig, ist mit dem Versammlungsverbot nicht in Einklang zu bringen.

Das ,Rüsselsheimer Echo‘ fand Frickels Initiative bemerkenswert und berichtete darüber. In der Zeitung erschien auch der Satz, wonach Frickel auf den Förderverein des Literaturhauses verweist und zu Spenden aufruft. Weil es ja auch nach Corona noch Vereine geben muss, die das gesellschaftliche Leben wieder ankurbeln. Der Schatzmeister des Fördervereins, Michael Münch: „Tolle Aktion, ich werde unser Konto im Auge behalten und bin gespannt, ob sich da etwas tut.“

Das E-Book „Villa Clementine – ein Politthriller aus Wiesbaden“ kann bis Mitte Mai von der Website des Autors unter www.frickel-net.de kostenfrei heruntergeladen werden.

Der Wiesbadener Autor Alexander Pfeiffer, Initiator der monatlichen Literaturshow „Where the wild words are“ im Kulturzentrum Schlachthof sowie weiterer Lesereihen und Literaturfestivals in Wiesbaden und dem Rhein-Main-Gebiet, organisierte Autorenlesungen an Schulen oder das Begleitprogramm zum Wiesbadener Krimistipendium – zuletzt für Zoë Beck. Als Schriftsteller ist er einer von zwölf Kulturschaffenden, die direkt von den Bürgern in den neugeschaffenen Kulturbeirat der Landeshauptstadt Wiesbaden gewählt wurden.


 

Alexander-Pfeiffer (Foto: Carina-Faust)

Herr Pfeiffer, der Kulturbeirat ist seit August 2018 im Amt. Zwölf direkt gewählte Kulturschaffende stehen dreizehn qua Amt „gesetzten“ Repräsentanten von Landesmuseum und Staatstheater oder der Politik gegenüber – so die Konstruktion des Beirats. Drückt das in Ihren Augen ein gewisses Misstrauen gegenüber den Künstlern aus, die Sparten wie Film, bildende und darstellende Kunst oder eben auch – wie Sie – die Literatur vertreten?

Was genau die Konstrukteure aus der Kommunalpolitik bewogen hat, diesen ersten Beirat in dieser Art und Weise zu gestalten, weiß ich nicht. Es wirkt aber durchaus so, als hätte man nicht zu viel an Kontrolle abgeben wollen. In meinen Augen ist die aktuelle Konstruktion noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Ich habe auch bereits vorgeschlagen, die derzeitige Zusammensetzung des Gremiums für die nächste Amtsperiode zu überdenken. Der Kulturbeirat soll ja als unabhängiges Gremium den für Kulturangelegenheiten zuständigen Ausschuss der Stadtverordnetenversammlung beraten und zu kulturpolitisch relevanten Vorhaben Stellung nehmen. Wenn man sich vor Augen hält, dass acht der 25 Kulturbeiratsmitglieder Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverordnetenfraktionen sind, und dass die meisten davon für ihre jeweilige Partei auch im Kulturausschuss sitzen, den der Kulturbeirat beraten soll, ist klar: Die zu Beratenden sitzen mit am Tisch, wenn Empfehlungen an sie formuliert werden. Man kann die Unabhängigkeit des Gremiums also durchaus in Frage gestellt sehen. Wiesbaden ist mit der Schaffung des Kulturbeirats in Sachen Mitbestimmung bereits erfreulich weit gegangen. Im nächsten Schritt könnte man noch etwas „mehr Demokratie wagen“, wie Willy Brandt es einst so schön formulierte.

Der Kulturbeirat soll das beratende Gremium sein, das für die Weiterentwicklung der Kulturpolitik in dieser Stadt sorgt, kulturelle Aktivitäten fördert. Haben Sie ein Beispiel dafür, dass dies bereits in dem einen oder anderen Fall gelungen wäre?

Ich denke, wir haben in verschiedenen Angelegenheiten die kulturpolitische Debatte entscheidend belebt und geprägt – Ausgang in allen Fällen noch ungewiss, aber wir bleiben dran. Beispiel eins: Der Konflikt um das bislang nicht realisierte „Kunst am Bau“-Projekt am RheinMain Congress Center. Nach der Weigerung der städtischen Holding TriWiCon, die von der eingesetzten Jury ausgewählte Installation von Monica Bonvicini zu realisieren, haben wir den Dialog mit der TriWiCon gesucht und letztlich eine Empfehlung formuliert, das Verfahren erneut zu öffnen. Dem sind sowohl der Kulturausschuss als auch die Stadtverordnetenversammlung gefolgt. Es gibt nun wieder Hoffnung auf eine Realisierung des Kunstwerks und ein wichtiges Stück Kunst im öffentlichen Raum. Beispiel zwei: Die unendliche Geschichte um das Walhalla-Gebäude und seine zukünftige Nutzung. Hier konnten wir im Dialog mit der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG), Akteuren der Initiative „Walhalla Studios Wiesbaden“ sowie der zuständigen Bezirksdenkmalpflegerin herausarbeiten, dass es für die Gestaltung und Nutzung des Gebäudes deutlich mehr Alternativen gibt, als der städtische Eigentümer uns alle glauben machen möchte. Der nächste Schritt muss hier nun ein offenes Interessenbekundungsverfahren sein, in dem konkrete Konzepte für eine kulturelle Nutzung auf den Tisch kommen.

Allein acht Mitglieder des Beirats sind Politiker, darunter ist auch ein Mitglied der AfD. Das hat zu ersten Verstimmungen geführt und dem Statement vom Juni 2019, wonach sich der Kulturbeirat mit Mehrheit gegen politisch motivierte Angriffe auf kulturelle Einrichtungen in unserer Stadt verwahrt und missbilligt, die finanzielle Unterstützung kultureller Institutionen seitens der Stadt bei politischer Missliebigkeit in Frage zu stellen. Ist zu befürchten, dass allein durch die Präsenz der Politik in Zukunft mehr solcher Scharmützel stattfinden?

Das Statement vom 4. Juni dieses Jahres unter der Überschrift „Kunst und Kultur bleiben frei!“ hatte einen ganz konkreten Anlass, nämlich die Attacke der Wiesbadener AfD und ihres kulturpolitischen Sprechers Klaus-Dieter Lork gegen das Kulturzentrum Schlachthof. In seinen Äußerungen verstieg sich Herr Lork dazu, antifaschistisches Engagement mit Terrorismus gleichzusetzen. Schon allein, weil dieser Herr auch Mitglied des Kulturbeirats ist, mussten wir darauf reagieren. Ansonsten soll der Kulturbeirat explizit keine Plattform für parteipolitische Scharmützel sein. Wir sind nicht die Stadtverordnetenversammlung und auch nicht der Kulturausschuss. Die besondere Qualität des Kulturbeirats besteht in seiner politischen Unabhängigkeit und der Expertise, die die dort vertretenen Kulturschaffenden einbringen.

Was glauben Sie, kann der Beirat in seiner Vielstimmigkeit die Belange der Kulturschaffenden wirksam vertreten?

Ich bin da guter Dinge. Dieser erste Beirat ist ja nun gerade mal seit knapp einem Jahr im Amt und hat bereits das eine oder andere angestoßen. Der „Themenspeicher“ für die Zukunft ist bestens gefüllt. Sehr vieles wartet darauf, zur Sprache zu kommen und bearbeitet zu werden. Die einzelnen Sparten und ihre Vertreter haben ihre jeweiligen Themen, denen sie Gehör verschaffen wollen. Das ist ganz natürlich und richtig so. Ich sehe aber bei allen Kulturschaffenden im Beirat auch den Willen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit über den eigenen Tellerrand hinaus. Das Walhalla zum Beispiel könnte ein wunderbarer Kulminationspunkt für die verschiedenen und letztlich doch nicht so verschiedenen Interessen sein: Gelegen im unmittelbaren Zentrum der Stadt, um dessen Gestaltung sich zuletzt in erster Linie der Ordnungsdezernent und der Polizeipräsident gekümmert haben, könnte hier Kultur zu einem Standortfaktor werden, der sämtliche Aspekte urbanen Zusammenlebens positiv beeinflusst. Sorgen eine „Alkoholverbotszone“ oder eine „Waffenverbotszone“ für mehr Aufenthaltsqualität? Ich glaube nicht. Ich glaube, wir bekommen durch derlei Maßnahmen lediglich „no go areas“, die von vielen gemieden werden, weil sie sie für gefährlich halten. Mit einem kulturellen und gastronomischen Angebot könnte dagegen eine innerstädtische Oase entstehen, wo wir es aktuell nach Geschäftsschluss mit einer Wüste zu tun haben.

Was wünschen Sie sich als Repräsentant der Sparte Literatur für die Literaten in dieser Stadt?

Eine Erhebung zur „Kulturpartizipation in Wiesbaden“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von 2017 kommt zu dem Schluss, dass Lesungen diejenigen Kulturangebote sind, die am wenigsten durch die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener genutzt werden. Nur etwa 18 Prozent der befragten Personen waren mindestens einmal in den vergangenen zwölf Monaten bei einer Lesung in Wiesbaden. Angesichts des breiten Angebots, das das „Lesezeichen“ als Literaturkalender der Stadt alle zwei Monate verzeichnet, eine ernüchternde Zahl. Ein sehr offensichtlicher erster Wunsch wäre also mehr Publikum. In einer Gesprächsrunde mit Autoren, Buchhändlerinnen und weiteren Literaturveranstaltern aus der Stadt, die wir kürzlich aus unserem Autorenstammtisch „Dostojewskis Erben“ heraus initiiert haben, wurden außerdem als Wünsche und Anregungen formuliert, dass die diversen Lesungsveranstalter weitsichtiger planen und mehr untereinander kommunizieren sollten, dass eine Art Messe beziehungsweise Ideen-Tauschbörse zwecks Vernetzung und Evaluation schön wäre und dass die Entwicklung von speziellen Literaturveranstaltungsformaten für Wiesbaden, die zur Stadt und ihrem Publikum passen, hilfreich sein könnte. Ein Highlight könnte ein stadtweites Literaturprojekt sein, an dem sich möglichst viele Akteure beteiligen können und das auch als Plattform für Autorinnen und Autoren dient, zum Beispiel eine lokale Buch- beziehungsweise Literatur-Messe.

Wo, glauben Sie, können Sie Verbündete für Ihre Anliegen gewinnen?

Nach mittlerweile gut 25 Jahren im Wiesbadener Kulturbetrieb habe ich glücklicherweise bereits ein paar Verbündete ansammeln können. Bei „Dostojewskis Erben“ treffen sich regelmäßig Autorinnen und Autoren aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet zum Erfahrungsaustausch, aber auch zur Organisation gemeinsamer Projekte. Im Literaturhaus Villa Clementine gibt es mit der Leiterin Susanne Lewalter sowie Katharina Dietl, die den Bereich Literatur- und Leseförderung betreut, ebenfalls engagierte Verantwortliche, mit denen ich seit vielen Jahren gut und gerne zusammenarbeite. In meiner Videokolumne „Pfeiffers Kultur Kiosk“ für den Wiesbadener Kurier suche ich Monat für Monat das Gespräch mit anderen Kulturschaffenden aus der Stadt. Auch im Kulturbeirat gibt es, wie schon erwähnt, eine große Einigkeit unter den Kulturschaffenden bei essentiellen Themen. Die große Kunst und schwierigste Aufgabe besteht immer wieder darin, möglichst viele von diesen im Geiste Verbündeten an einen Tisch zu bekommen, wenn es darum geht, konkrete Projekte und Maßnahmen voranzubringen. Für den Bereich der Literatur versuche ich das aktuell, zum Beispiel mit der erwähnten Gesprächsrunde. Die Themen, die in diesem Kreis zur Sprache kommen, sollen natürlich ihren Weg in den Kulturbeirat finden. Auch darin sehe ich meine Aufgabe als gewählter Vertreter der Sparte Literatur.